Über die Zukunft der Lehrmittel nach Döbeli, Hielscher & Hartmann (2018)

Gerhard Brandhofer hat auf Facebook die erst kürzlich (Nov 2018) erschienene Handreichung “Lehrmittel in einer digitalen Welt” geteilt – vielen Dank dafür! Eine ausgezeichnete Ergänzung zum Modul “Bildungstechnologie und Didaktik” in unserem Lehrgang “Digital Publishing in Education“. Ich greife nun ein paar interessante Punkte heraus, die mir beim ersten Quer-Lesen grob aufgefallen sind, sozusagen als Appetizer auf die Handreichung 🙂

Die Zukunft der Lehrmittel – wo geht die Reise hin?

Das Lehrmittel war lange Zeit das Schulbuch und ergänze Unterrichtsmaterialien.  Wie kann eine Zukunftsprognose aussehen? Döbeli, Hielscher, Hartmann (2018, S. 10) schlagen ein Stufenmodell vor:

Stufenmodell digitaler Lehrmittel (angelehnt an Döbeli, Hielscher, Hartmmann, 2018, S. 10)

Stufenmodell digitaler Lehrmittel (angelehnt an Döbeli, Hielscher, Hartmann, 2018, S. 10)

Es geht also hin in Richtung einer digitalen, vernetzten, partizipativen Lehr- & Lernumgebung, in der sowohl Lernende als auch Lehrende teilhaben. Die Rolle der Lehrperson wird sich verändern und auch der Rolle der Lernenden verändert sich – sie werden aktiv und gestalten eigene Lernwege, gestalten das Lehrmittel mit. Dazu passt auch sehr gut folgende Grafik von Takashi Iba – weg vom reinen Konsumieren, hin zum Kommunizieren, wobei Iba noch einen Schritt weiter geht, über die Informationsgesellschaft hinaus zu einer gestaltenden Gesellschaft:

Role of Educators by Takashi Iba – Slide 9 in “Pattern Languages as New Tools for Learning in the Creative Society”

Role of Educators by Takashi Iba – Slide 9 in “Pattern Languages as New Tools for Learning in the Creative Society”

Die sich verändernde Gesellschaft

Schauen wir uns nun genauer an, wieso es zu so einer Entwicklung kommen sollte und wie sich unsere Gesellschaft verändert hat:

Leitmedienwechsel ((angelehnt an Döbeli, Hielscher, Hartmmann, 2018, S. 10 sowie Baecker 2007)

Leitmedienwechsel ((angelehnt an Döbeli, Hielscher, Hartmann, 2018, S. 17 sowie Baecker 2007)

In der Informationsgesellschaft sind neue Kompetenzen nötig, die Digitalisierung verändert unsere Arbeits- und Lebenswelt. Takashi Iba hat nach der Informationsgesellschaft die gestaltende Gesellschaft als nächsten Schritt prognostiziert. Automatisierung wird viele Berufe und Tätigkeiten verändern, Informationsmonopole werden verschwinden, die Sozialisierung von Kindern und Jugendlichen verändert sich und es gibt neue Werkzeuge zum Lernen und Lehren (vgl. Döbeli, Hielscher, Hartmann, 2018, S. 16f.). Ich habe ein paar weiterführende Links zum Thema Automatisierung und neue Anforderungen am Arbeitsplatz und für die Bildung gesammelt:

Gute Lehrmittel

Döbeli, Hielscher, Hartmann (2018, S. 22) haben 10 Merkmale für gute Lehrmittel identifiziert:

“1. Gute Lehrmittel fördern die Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler.
2. Gute Lehrmittel unterstützen das eigenständige Lernen.
3. Gute Lehrmittel enthalten vielfältige aktivierende Lernaufgaben.
4. Gute Lehrmittel bieten eine sachgerechte Aufbereitung der Inhalte.
5. Gute Lehrmittel sind in einer verständlichen Sprache abgefasst.
6. Gute Lehrmittel fördern durch die Gestaltung den Lernprozess.
7. Gute Lehrmittel beziehen neue Medien mit ein.
8. Gute Lehrmittel unterstützen die Lehrpersonen.
9. Gute Lehrmittel sind vielseitig einsetzbar.
10. Gute Lehrmittel enthalten Diagnose- und Beurteilungsinstrumente.”

Das sind viele Ansprüche, die an Lehrmittel und ihre EntwicklerInnen gestellt werden. Aber es muss nicht unbedingt 1 Werk sein, dass alles auf einmal erfüllen muss, sondern es könnte sich um eine Sammlung verschiedener Elemente handeln, die in Summe diese Ansprüche erfüllen.

Hier möchte ich besonders Merkmal 3 herausgreifen “Gute Lehrmittel enthalten vielfältige aktivierende Lernaufgaben.” – Darunter verstehen Döbeli, Hielscher, Hartmann (2018, S. 25) Folgendes:

“Gute Lernaufgaben verhindern auch, dass im Unterricht fast nur Wissensfragen gestellt werden. Faktenwissen oder Orientierungswissen ist auch in der heutigen Zeit weiterhin notwendig, aber nicht mehr ausreichend. Lernaufgaben können hier eine Brücke zu Kompetenzen auf kognitiv höheren Taxonomiestufen schlagen. Wissenschaftlich erwiesen ist zudem, dass Lernaufgaben eines der didaktischen Instrumente mit dem besten Time-on-Task darstellen. Dieser Zeitanteil, in dem sich die Lernenden tatsächlich mit dem Lernstoff beschäftigen, gilt bei Pädagogen als wichtiger Prädiktor für den Lernerfolg.”

Dies ist ist unter anderem auch in Modul “Bildungstechnologie und Didaktik” ein großes Anliegen. Es wurde Anderson & Krathwohls Taxonomie (2001) vorgestellt und genutzt, um didaktische Szenarien zu evaluieren und zu entwickeln – damit nicht nur Faktenwissen oder Orientierungswissen in Lehrmitteln vermittelt wird, sondern auch höhere kognitive Prozesse als sich zu erinnern und zu verstehen angesprochen werden.

Fazit

Die in November 2018 erschienene, umfrangreiche (140 Seiten lange) Handreichung von Döbeli, Hielscher, Hartman (2018) ist wirklich gelungen und fasst Aspekte rund um Lern-/Lehrmittel in einer digitalen Welt gut zusammen, mit Potentialen und Gefahren. Auch Learning Analytics, OER, wirtschaftliche, politische, rechtliche und technische Rahmenbedingungen werden behandelt. Ein Must-Read für alle, die sich mit der Zukunft von Lehr-/Lernmittel beschäftigen.

Literaturverweis

Döbeli Honegger, Beat; Hielscher, Michael und Hartmann, Werner (2018). Lehrmittel in einer digitalen Welt. Expertenbericht im Auftrag der Interkantonalen Lehrmittelzentrale (ilz). Online verfügbar unter www.ilz.ch

1 Response

  1. 29. March 2020

    […] um der Transformation der Gesellschaft zu begegnen. In einer Informationsgesellschaft,  in der die Schule kein Informationsmonopol mehr hat, muss sie nicht in erster Linie Stoff vermitteln, sondern, wie man sich Stoff aneignen und aus […]

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