Lernen in Online Communities
Lernen auf Facebook, Twitter und Co. – Welche Community-Typen gibt es?
Im Rahmen des Projekts TEAVET wollen meine KollegInnen am Zentrum für bildungstechnologische Forschung und ich unsere albanischen ProjektpartnerInnen dabei unterstützen, eine Online Community zur Weiterbildung von Lehrenden zu etablieren. Auch ich nutze soziale Netzwerke schon einige Jahre zur persönlichen Weiterbildung. Da habe ich angesetzt und weitere Recherchen vorgenommen. In diesem Blogpost beschreibe ich ein paar Erkenntnisse, die ich unter anderem auch bei einer DigiPH eLecture kurz vorgestellt habe.
Aber nun starten wir erstmal in die Materie! 🙂
Ines Bieler, Mitbegründerin der Community Bildungspunks (#EduPnx) hat es auf den Punkt gebracht:
Lange Zeit wurden Facebook und Co. von den meisten Menschen rein für private Zwecke genutzt, aber immer stärker etabliert sich die Nutzung von sozialen Netzwerken für die persönliche Weiterbildung. Insbesondere Lehrende vernetzen sich immer stärker und öfter online, unter anderem auf Instagram und Twitter.
Was hat man davon?
Vor meiner eLecture an der #DigiPH2 am 13.3.2019 habe ich die #Followerpower auf Twitter genutzt und spannende Antworten zum Nutzen der Teilnahme an Online Communities bekommen (siehe Tweet & Antworten). Lieberman et al. (2011) betont folgende positiven Aspekte von Communities für Lehrpersonen:
- Lehrpersonen können von einander lernen
- Austausch von neuem Wissen
- Neue Ideen ausprobieren
- Die eigene Arbeitspraxis zu hinterfragen und weiterentwickeln
- Die Qualität des Lernen und Lehrens verbessern
Reger Austausch über die Unterrichtspraxis auf Instagram
Sehen wir uns näher an, wo sich deutschsprachige Lehrende auf Instagram so herumtreiben:
- #teachersofinstagram: ca. 4.600.000 Beiträge (internationaler Hashtag)
- #instalehrerzimmer: ca. 34 500 Beiträge
- #instalehrer: ca. 22 000 Beiträge
- #unterrichtsideen: ca. 6 700 Beiträge
- #unterrichtsmaterial: ca 5 100 Beiträge
- #lehrerfolgenlehrer: ca. 3 100 Beiträge
- #edupnx: ca. 700 Beiträge
- #edupnxchallenge: ca. 1700 Beiträge
- #digitaleschule: ca. 450 Beiträge
Beitragszahlen sind vom 14.3.2019. Diese verändern sich laufend, auch kommen laufend neue Hashtags dazu, aber man sieht zumindest eine Tendenz in der Nutzung von Hashtags. Communities wie EdChatDE oder #Bayernedu sind mehr auf Twitter verbreitet als auf Instagram.
Was teilen Lehrende auf Instagram?
Hier wird ganz viel aus der Praxis geteilt: Bilder von Unterrichtsmaterialien, Tafelbilder, Outcomes im Unterricht, Spiele für den Unterricht, Selbstorganisation, Lebensalltag, Klassenzimmer, Fortbildungen und Bücher, eigene Blogposts, wie man den Klassenraum organisieren kann, etc.
Steckt mehr hinter den Hashtags?
Nicht hinter jedem Hashtag steckt auch eine Community. Viele Hashtags werden genutzt um Inhalte zu taggen und im sozialen Netzwerk besser auffindbar zu machen. Es gibt nur sehr lose Verbindungen zwischen den NutzerInnen eines Hashtags. Aber hinter manchen Hashtags steckt mehr. Etwa hinter dem #EduPnx steckt eine Community mit regelmäßigen Aktivitäten (Blogparade, Instachallenge oder auch ganz analoge Treffen im Rahmen eines Bildungsbrunches).
Community, was heißt das?
Bekannt ist insbesondere der Begriff “Community of Practice“. Wenger, McDermott & Snyder (2002, S. 4) definieren Communities of Practice als eine Gruppe von Menschen, die sich mit demselben Themen- oder Problemfeld beschäftigen und ihre Expertise durch ständige Interaktion miteinander vertiefen. Eine Community of Practice zeichnet sich durch folgende Aspekte aus:
- Teilnehmende sind Menschen mit der gleichen Profession oder ähnlichen Arbeitsbedingungen
- Sie berichten über ihre alltäglichen Probleme in ihrer Profession bzw. in ihrem Fachbereich
- In der Community entwickelt sich ein eigener Jargon, eigene Rituale und Umgangsformen –> WIR-Gefühl
- Es gibt gemeinsame, geplante Aktivitäten
- Die professionelle Identität wird gestärkt
- Enge Bindung zwischen den Teilnehmenden
Da gibt es doch noch weitere Community-Typen?
Diese Beschreibung einer Community of Practice kann damit auch als eine Art Idealtyp verstanden werden. Lehrende formieren sich im Rahmen einer gemeinsamen Lernumgebung nicht zwangsläufig zu einer Community of Practice im Sinne von Wenger, McDermott und Snyder (2002). Henri & Pudelko (2003, S. 479-484) haben daher eine weitere Differenzierung vorgenommen und mehrere Typen von Communities im virtuellen Raum formuliert:
- Community of Interest
- Zielgerichtete Community of Interest
- Learner Community
- Community of Practice
Dabei ist eine Community of Interest eher ein loses Netzwerk, die Teilnehmenden interessieren sich für dasselbe Thema, es gibt aber keine gemeinsamen Aktivitäten. Die Community dient dem Informationsaustausch, ähnelt einem gemeinsam kuratierten Newsfeed zu einem Thema. Ein Beispiel dafür ist etwa die Facebook-Gruppe “Bildung ist Zukunft – für alle Menschen in Österreich”.
Eine zielorientierte Community of Interest ist schon ein bisschen mehr als nur ein relativ loses Netzwerk, es geht um eine Gruppe von Menschen mit einem gemeinsamen Ziel – jedoch ist das fremd vorgegeben und zeitlich meist begrenzt. Ein Beispiel dafür sind Communities, die im Rahmen von Projekten gegründet werden, wie etwa #ATS2020, #ApprEnt_EU oder #VINCEproject.
Eine Learner Community bildet sich typischerweise in Studiengruppen, etwa in einer Klasse oder einer Studierendenkohorte. Hier gibt es enge Bindungen, eine gemeinsame Identität, gemeinsame Aktivitäten, ein gemeinsames Ziel (Studium schaffen!). Was unterscheidet dann aber eine Learner-Community von einer Community of Practice?
Learner Community oder Community of Pratice?
Die Learner Community ist stark durch TutorInnen, Lehrpersonen, Lehrgangsleitungen etc. in der formalen Bildung bestimmt. Die Aktivitäten sind durch das Curriculum und das didaktische Design bis zu einem gewissen Grad vorbestimmt. In einer Community of Practice gibt es aber ein freies Curriculum, bestimmt durch die Gruppe und ihren alltäglichen Problemen ihres Fachbereichs bzw. ihrer Profession.
Wie etabliert man eine Community erfolgreich?
Communities of Practice werden von Wenger, McDermott und Snyder (2002) als etwas Lebendiges gesehen. Die Community wächst, entwickelt sich und kann dadurch kaum a priori seine Strukturen und Prozesse durch ein Design festgelegt werden. Dennoch ist diese Lebendigkeit nicht etwas, das automatisch passiert, sondern spezifische Bedingungen und Kultivierung bedarf. Hier beziehen sich Wenger, McDermott und Snyder (2002, S. 50) auf Alexander, Ishikawa & Silverstein (1977), die mit „A Pattern Language“ beschreiben, wie Design basierend auf Mustern Lebendigkeit und „gutes“ Leben fördern kann. Organisches Wachstum und Lebendigkeit sind grundlegende Aspekte von Communities of Practice und Wenger, McDermott und Snyder haben sieben förderliche Gestaltungsprinzipien formuliert:
- Designe für Weiterentwicklung
- Öffne den Dialog zwischen Community und Externen
- Lade zu verschiedenen Levels von Partizipation ein
- Entwickle sowohl öffentliche und private Bereiche
- Fokussiere auf den Nutzen
- Verbinde Vertrautes mit Aufregendem
Mehr zu diesen Gestaltungsprinzipien schreibe ich in meinem nächsten Blogpost! 🙂 Wer sich für Muster interessiert kann gerne auf meinem Blog stöbern, wo es einige Beiträge zum Thema gibt!