Dual unterrichten im Herbst 2020: 4 Tipps

Ready für das Wintersemester 2020 mit Covid19-Vorkehrungen? Ein paar Studierende dürfen oder wollen an den Campus, andere Studierende sind Teil der Risikogruppe oder in Quarantäne. Mit dem “dualen” Unterrichtsformat will man die Präsenzveranstaltung inklusiv gestalten: Und zwar sollen auch online live zugeschaltete Studierende mitmachen können. In diesem Blogpost teile ich meine Lessons Learned, verpackt in 4 Tipps.

Im letzten Blogpost habe ich die Begriffe “duales Unterrichtsformat”, “hybrides Lernen” und “blended learning” genauer unter die Lupe genommen. Dabei zeichnet sich das duale Format besonders dadurch aus, dass zur Präsenz-Lehrveranstaltung auch Studierende online live zugeschaltet sind. Sprich: Das Lern- und Lehrdesign der Lehrveranstaltung müsste sich nicht ändern und die Qualität des Lern- & Lehrprozesses ist wie gewohnt in Präsenz – so lautet zumindest die Hoffnung.

Problem gut kennen – passende Lösung finden

Dualer Unterricht und seine Tücken

Ich erweitere die Rechnung im Titel noch um die Studierenden, die von zuhause zugeschaltet werden:

“Studierende online während der Präsenzveranstaltung verfügbar + gleiches didaktisches Konzept + Mikrofon, Webcam, Zoom = alles so wie immer?” – sehen wir uns die Rechnung genauer an.

“Die online zugeschalteten Studierenden arbeiten nicht so mit und bringen sich nicht so ein wie die Studierenden, die in Präsenz da sind” – diese und ähnliche Aussagen hört man nach den ersten Versuchen des dualen Unterrichts. Leider ist nicht alles annähernd so “wie immer”, trotz Technologieeinsatz und Mühen, die damit verbunden sind.

Zoom-Fatigue

Ein Blick in unsere “Rechnung” und auf Zoom (oder jedes andere Web-Conferencing Tool): Zoom-Fatigue ist ein möglicher Erklärungsansatz. Der Psychologe und Betriebswirt Prof. Dr. Johannes Moskaliuk hat in seinem Blogpost einige Punkte erwähnt, die diese Müdigkeit durch Zoom begründen:

“Ständig das eigene Bild zu sehen erhöht die Selbstaufmerksamkeit.”

“Wir sind weder hier noch da. Köper und Geist passen nicht zusammen.”

“Zoom-Meetings sind weniger Aufwand, und werden deshalb oft schlechter vorbereitet.”

“Insbesondere wenn Videokonferenzen zuhause im Home-Office stattfinden, ist es anstrengend, genügend Ruhe und Konzentration zu finden.”

Was soll “so wie immer” sein?

Was man erreichen will, das beeinflusst unsere “Rechnung” empfindlich. Beim Unterrichten, vor allem in Präsenz, basiert das umgesetzte didaktische Design oftmals auf Intuition und implizitem Wissen der Lehrenden. Das funktioniert face-to-face oft nicht schlecht, aber beim Online Lernen und Lehren kann man auf Grenzen stoßen. Die zu erreichenden Lernergebnisse sollten so explizit wie möglich formuliert werden – dann fällt es leichter, sich in der text- & bildbasierten Welt des Internets zu organisieren, vor allem in einer Gruppe.

Sobald man weiß, was man genau erreichen will, kann man auch überlegen, welche Mittel der Online-Kommunikation dafür passend sind und dies beeinflusst das didaktische Konzept inklusive Tool- und Funktionsauswahl.

Explizierung Wins

Zusammengefasst: Die Rechnung “Studierende online während der Präsenzveranstaltung verfügbar + gleiches didaktisches Konzept + Mikrofon, Webcam, Zoom = alles so wie immer?” kann schon alleine daran scheitern, dass dieses “alles so wie immer” anders kommuniziert werden muss für das Kommunizieren im Netz: Nämlich so explizit wie möglich.

Genug über die Tücken unserer Rechnung. Wie kann das Lernerlebnis sowohl für die Studierenden, die in Präsenz da sind, als auch für die Studierenden, die online zugeschaltet sind, verbessert werden?

4 Tipps, wie der duale Unterricht gelingen kann

Ich habe letztes Jahr eine offene duale Tagung für das Projekt ApprEnt durchgeführt, wobei hauptsächlich Informationsvermittlung im Zentrum stand. Dabei sind mir ein paar Dinge aufgefallen, hier sind meine Lessons Learned:

1) Sparsam mit Vorträgen umgehen

Voträge müssen nicht in einem synchronen Setting ablaufen. Die Zeit kann man besser nutzen. Die Frage ist: Was willst du durch den Vortrag erreichen?

  • Sollen die Studierenden Informationen aufnehmen und verarbeiten? Dann wäre es besser, den Vortrag aufzunehmen, die Studierenden aufzufordern Fragen zu stellen und sich gegenseitig, etwa in einem Forum zu beantworten. Dadurch, dass es eben NICHT synchron ist, haben die Studierenden mehr Zeit, die Informationen aufzunehmen in in ihre mentalen Denkmodelle durch Reflexion zu integrieren.
  • Sollen die Studierenden mit dem Verarbeiteten weiter arbeiten? Dann bitte bei Punkt 2) weiterlesen.

2) Austausch, gemeinsames Verständnis und Entscheidungsfindung anregen

Die ganze Lernendengruppe ist zur selben Zeit online. Das nutzt man am besten zum Austausch, Entscheidungen treffen und gemeinsames Verständnis aufbauen in der Gruppe, damit darauf aufbauend weitergearbeitet werden kann.

3) Gemeinsamer Online-Arbeitsbereich

Damit die Lernendengruppe sich austauschen, ein gemeinsames Verständnis aufbauen und Entscheidungen treffen kann, braucht es einen gemeinsamen Online-Arbeitsbereich, der synchrones Arbeiten bestmöglich unterstützt:

  • Videochat und Textchat: Zum Austausch mit Mimik und Gestik, zB. Zoom, MS Teams, Jitsi, etc
  • Chatkanäle: Strukturierter Austausch in Channels, geht snychron und asynchron gut, zB. Mattermost (Open Source), Slack, MS Teams
  • Gemeinsames “Online-Flipchart”: Man kann wie auf einem Flipchart in Präsenz gemeinsam online an einem Thema arbeiten, Text, Bilder, Zeichnungen (ja nach Funktionalität der Tools) einbauen, zB. auf Mural, Miro, Padlet oder Jamboard, Google Docs, Google Slides, (unterschiedliche Funktionsumfänge und Möglichkeiten)

4) ALLE müssen online sein

Auch die Lernenden, die in Präsenz da sind, müssen Devices mithaben, mit denen Sie online sind und online arbeiten. Denn es ist klar, wenn eine Gruppe nur online partizipieren kann, muss der Arbeitsbereich im Internet liegen. Alle müssen am gemeinsamen Online-Flipchart arbeiten und online miteinander kommunizieren können.

Wenn es organisatorisch möglich ist, dann kann man auch in Online- und Offline-Gruppe trennen, aber gerade wenn die ganze Gruppe zusammenkommen soll, müssen alle online sein.

Eure Tipps?

Habt ihr ein duales Unterrichtsformat schon getestet? Welche Chancen seht ihr bei diesem Format?

Für welche Aktivitäten nutzt ihr gerne duale Formate? Für welche Aktivitäten nutzt ihr generell synchrone Treffen mit der ganzen Studierendenkohorte?

Und nun eine “gewagte” Frage: Brauchen wir das überhaupt noch, dass sich die GANZE Studierendenkohorte gemeinsam zur gleichen Zeit trifft, vor allem in dem Zeitumfang, wie es bisher gehandhabt wurde?

Ich bin auf eure Kommentare gespannt! 🙂

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4 Responses

  1. Silja Ziemann says:

    Hallo Isabell,
    habe gerade, wenn auch etwas verspätet, Deinen Beitrag gelesen und als Antwort auf Deine letzte Frage antworte ich nicht mit „Ja, aber…“ sondern mit „Ja, und…“ JA, und die Gruppengröße ist wichtig! Ich denke, eine sehr große Gruppe synchron zusammenzuschalten, kann u.U. unübersichtlich und wenig effizient bzw. effektiv und ggf. für die TN frustrierend sein (weil z.B. die eigene Frage, aufgrund der Menge an Fragen nicht beantwortet wird oder man nicht so schnell tippen kann, wie andere oder oder oder). Live-Events bzw. -Vorlesungen in kleinen Gruppen sind meines Erachtens weiterhin wichtig, um auch in der digitalen bzw. hybriden Welt den sozialen Austausch untereinander zu gewährleisten. Auf diese Weise fördert man den Gemeinschaftssinn und fühlt sich „zu Hause am PC“ nicht so allein. Zudem bekommt man eher die Chance direkt Fragen zu stellen und eine Diskussion zu führen. Das geht natürlich auch im asynchronen Forum, aber bei manchen aktuellen Themen (oder auch z.B. Prüfungsvorbereitungen) halte ich die Live-Sessions für sinnvoller.
    Danke für Deine Inputs! Ich bin in allen Punkten ganz bei Dir, werde den einen oder anderen Input übernehmen und habe ähnliche Erfahrungen gemacht!

    Liebe Grüße
    Silja

    • isabell Grundschober says:

      Liebe Silja,

      vielen Dank für deinen Input. Ganz zentrale Aspekte, die du da ansprichst – und oft in der Praxis ein Problem. Abhängig davon, wie viele live synchron dabei sein, braucht man andere Funktionalitäten und Interaktionsformate etwa in Online Conferencing Tools. Wenn da nicht angepasst wird, ist das ziemlich frustrierend. Ich habe schon öfters erlebt, dass Modi für große Gruppen auch bei kleinen Gruppen angewandt werden, das ist dann etwas “künstlich” und tendiert leider dazu, wenig persönlich und interaktiv zu sein – obwohl das gerade in kleinen Gruppen ja möglich wäre. Da braucht es echt ein Bewusstsein darüber, was mit welchen Gruppengrößen möglich und angebracht ist. Gemeinschaftssinn zu fördern ist hier wirklich der zentrale Aspekt. Da brauchen wir großes Augenmerk darauf, insbesondere in Zeiten von Social Distancing – aber auch, damit Lernen gut funktionieren. Liebe Grüße von Krems nach Wien, liebe Silja! 🙂

  1. 20. October 2020

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