Professional Noticing und KI: Der Schlüssel zu effizienteren und innovativen Arbeitsprozessen

Im Zeitalter der KI-Revolution wird Professional Noticing (PN) zu einer unverzichtbaren Fähigkeit. In meinem Workshop “Die Kunst des Bemerkens” beim WIFI Trainingskongress 2024 haben wir erkundet, warum gezieltes Bemerken so entscheidend ist und wie Trainerinnen und Trainer diese Schlüsselkompetenz in der modernen Arbeitswelt fördern können.

Die Kunst des Bemerkens im Zeitalter von KI. Mein Online Workshop beim WIFI Trainingskongress 2024 zum Thema "Lernen heute und morgen"
Die Kunst des Bemerkens im Zeitalter von KI. Mein Online Workshop beim WIFI Trainingskongress 2024 zum Thema “Lernen heute und morgen”

Lernen heute und morgen.

Das Thema des Wifi Trainingskongresses 2024 war “Lernen heute und morgen. Kompetenzen und KI – Ergänzung oder Ersatz” und hat sich an Trainer:innen in verschiedenen beruflichen Branchen gerichtet. Wo bleiben die Trainer:innen in Zeiten von KI? Wie können diese weiterhin relevant bleiben? Ich habe das Thema “Professional Noticing” in diesem Zusammenhang aufgegriffen. Wir wollen den digitalen Wandel mitgestalten und nicht nur ausgeliefert sein. Dazu müssen wir wachsam für Veränderungen in unserem beruflichen Alltag sein und früh feststellen, welche Chancen und Grenzen KI in einem bestimmten Beruf birgt.

Im Workshop und in diesem Blogpost beziehe ich mich mit dem Begriff “KI” vorwiegend auf Large Language Models wie ChatGPT und Bard.

Was ist Professional Noticing?

Im Rahmen des EU-Projekts PROMISE beschäftige ich mich seit bald zwei Jahren mit Professional Noticing. Der Ansatz beschreibt die Fähigkeit, relevante Details in einer (beruflichen) Situation zu bemerken, zu interpretieren und darauf zu reagieren. Diese Kompetenz ist nicht nur wichtig für die Expertiseentwicklung in einem Beruf, sondern auch besonders wichtig in einer sich schnell verändernden, von KI geprägten Arbeitswelt. Hier ist eine kurze Übersicht, wie “Professional Noticing” oder auch “Intentionales Bemerken” abläuft:

Die Welt steht nicht still und Berufe entwickeln sich weiter. In Zeiten von digitaler Transformation und KI passiert das umso rascher. Erfahrung alleine reicht nicht aus. Für die professionelle Weiterentwicklung gilt es, die Erfahrung zu reflektieren. So können wir zu “Reflective Practitioners” (Schön, 1983) werden, also reflektierende Praktiker:innen. Was habe ich in einer gewissen Situation bemerkt, worauf habe ich reagiert und wieso? Was blieb vielleicht unbemerkt und welche Konsequenzen hatte dies? Indem man sich diese Fragen stellt, kann eine berufliche Situation und das eigene Handeln retrospektiv reflektiert und weiter verbessert werden. Leider merkt man oft erst, dass man etwas Wichtiges nicht bemerkt hat, wenn dies eine negative Konsequenz hatte – also ein Fehler war.

Praxisnahe Anwendung: Das Fehlerlabor

“Im Fehlerlabor” konnten die Teilnehmenden ihre eigenen Erfahrungen reflektieren. Wir sammelten Geschichten über Situationen, in denen etwas nicht bemerkt wurde, und analysierten die Gründe dafür. Diese Reflexion half den Teilnehmenden, die Fallstricke im PN-Prozess zu erkennen und Strategien zu entwickeln, um ihre Wahrnehmungsfähigkeiten zu verbessern. Es gibt viele Gründe, die das Bemerken verhindern: Fehlendes Fakten- und Prozesswissen, fehlende Aufmerksamkeit (z.B. durch Stress bzw. Überlastung) oder fehlender Wille (weil man gewisse Glaubensgrundsätze nicht aufgeben möchte. Manchmal will man leider am Holzweg bleiben, wenn es zu schmerzhaft ist, einen Fehler einzusehen).

PN im Kontext der KI: Herausforderungen und Chancen

Der Einsatz von KI-Systemen bringt neue Herausforderungen und Chancen für PN mit sich. KI-gestützte Tools wie ChatGPT können zwar die Effizienz steigern, bergen aber auch die Gefahr, dass Fachleute weniger aufmerksam werden und auf „Autopilot“ schalten. Im Workshop diskutierten wir, wie PN dazu beitragen kann, Fehler und Halluzinationen von KI-Systemen zu erkennen, zu korrigieren und die KI-Ergebnisse weiter zu verbessern.

4 Prinzipien der KI-Zusammenarbeit

Prof. Ethan Mollick definiert in seinem Buch “Co-Intelligence. Living and Working with AI” vier Prinzipien für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit KI. Ich habe diese vier Prinzipien mit dem Ansatz des “Professional Noticing” verbunden.

4 Prinzipien nach Mollick Verbindung zu “Professional Noticing” und Beispiele
1. Frage immer die KI.Um zu bemerken, braucht es erst Situationen zur Beobachtung. Nutzen Sie die KI in möglichst vielen Situationen und schaffe damit Raum für Beobachtung. Das kostet Zeit, aber nur dadurch kann die Basis geschaffen werden, um Chancen und Grenzen von KI im eigenen Beruf auszuloten.
2. Bewerte und verbessere KI-Ergebnisse.Seien Sie ein hilfreicher Mensch. Hilf der KI, gute Ergebnisse erzielen zu können und gibt der KI Hinweise, was sie dazu tun muss. Darüber hinaus haben Sie auch die Verantwortung dafür, wie und welche Ergebnisse der KI Sie nutzten. Es liegt an Ihnen Halluzinationen zu erkennen, die KI-Ergebnisse im beruflichen Kontext zu reflektieren bzw. Prompts weiter zu verbessern. Mit höherer beruflicher Expertise kann Ihnen das noch besser gelingen.
3. Sage der KI wer sie ist.Per Stand 22.5.2024 hat die KI kein Bewusstsein. Wenn Sie keine Antwort von der KI möchten, die einen “Durchschnittsmenschen” zufrieden macht, dann gilt es der KI zu sagen, wer sie ist und mit wem sie “spricht”. Es reicht nicht, einfach nur eine Frage einzutippen. Richtig gute Antworten kommen nur, wenn Sie weiter spezifizieren. Auch hier kann man von einer hohen beruflichen Expertise profitieren, jedoch geht es auch mit der Explizierung bzw. Verbalisierung des teilweise impliziten, beruflichen Wissens einher. Nicht ganz trivial und teilweise mühevoll.
4. Gehe davon aus, dass dies die schlechteste KI ist, die du jemals nutzen wirst.KI entwickelt sich stetig weiter und daher sollte das “Experimentieren” mit KI Alltag werden, damit fortwährend mitgelernt, neu entwickelt und adaptiert werden kann: Ganz im Sinne des lebensbegleitenden Lernens. PN kann diesen Prozess systematisch begleiten.

Systematischer Aufbau von PN-Fertigkeiten

Im letzten Teil des Workshops haben wir uns mit dem systematischen Aufbau von PN-Fertigkeiten beschäftigt. Wir stellten verschiedene Methoden vor, wie Theoriewissen, konstruierte Beispiele und Simulationen, um PN schrittweise zu entwickeln. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Anwendung dieser Fähigkeiten in der realen Welt und der Nutzung von Beobachtungsbögen und Debriefing-Prozessen zur Reflexion und Verbesserung.

Fazit: Die Zukunft des Professional Noticing

Der Workshop analysierte die Rolle des Professional Noticing in der modernen, von KI geprägten Arbeitswelt. Wer den Wandel aktiv mitgestalten möchte, sollte deshalb frühzeitig beginnen, KI-Prinzipien in den Alltag zu integrieren – ganz nach dem Motto: “Schneller scheitern!” Fehler zu machen, ist ein wesentlicher Bestandteil des Lernprozesses.

Wahrscheinlich wird KI nicht sofort die Effizienz deiner Arbeitsprozesse steigern. Es kann notwendig sein, einiges anzupassen und zu optimieren. Die Integration von KI in den Alltag kann anfangs mühsam sein, denn die Ergebnisse sind nicht immer sofort nützlich. Doch das Experimentieren darf nicht aufhören. Es wird immer neue Wege geben, wie KI unseren Arbeitsaufwand bei bestimmten Aufgaben verringern kann. Dadurch eröffnen sich Möglichkeiten, unsere Energien in andere Bereiche zu investieren. Diese kann der entscheidende Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Unternehmen sein.

Durch gezieltes Training und die Integration von PN in berufliche Weiterbildungen können Fachleute ihre Wahrnehmungsfähigkeiten systematisch schärfen und somit effektiver und erfolgreicher mit KI im Alltag arbeiten.

Einladung zum Austausch: KI Fails

Welche KI “Fails” haben Sie seit Einführung von ChatGPT und Co. erlebt? Wie und wer hat den “Fail” bemerkt? Hatten diese Fails Konsequenzen? Was haben Sie daraus für sich mitgenommen? Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen!

Literaturtipps und Ressourcen

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