Lernergebnisse und Blooms Taxonomie

Was bedeutet es, Lernergebnisse zu Beginn eines Lernprozesses zu formulieren? Vor allem: Ziele setzen!

Ziele setzen!

Ziele setzen!

Es wird eine Richtung angegeben, eine Orientierung, worauf man die eigene Lernstrategie ausrichten möchte. Dadurch kann ein Lernprozess eingeleitet, der werden lernendenzentriert ist und meta-kognitive Kompetenzen fördert, wie etwa im Projekt ATS2020 beschrieben und erprobt wurde.

Allgemein kann gesagt werden: Ein wichtiger Aspekt des Kompetenzerwerbs im Sinne der EU-Empfehlungen und deren Umsetzung im österreichischen Schulsystem ist die Formulierung von Lernergebnissen. Sie sind ein wichtiges Instrument für die Qualitätssicherung beim Lernen und Lernen. Kennedy, Hyland & Ryan (2006, S.1) betonen, dass der Begriff der Kompetenz oft mit Lernergebnissen in Verbindung gebracht wird, dass jedoch ein Konsens zur Begriffsklärung von „Kompetenz“ fehlt. Der Vorteil bei Lernergebnissen ist, dass diese begrifflich klar definiert und abtrennbar sind. Das EU ECTS-BenutzerInnenhandbuch definiert Lernergebnisse wie folgt:

„Learning outcomes are statements of what the individual knows, understands and is able to do on completion of a learning process. The achievement of learning outcomes has to be assessed through procedures based on clear and transparent criteria. Learning outcomes are attributed to individual educational components and to programmes at a whole.“ (Europäische Union, 2015, S. 10)

Wie im Zitat beschrieben, handelt es sich bei Lernergebnissen um Aussagen, was Lernende wissen, verstehen und fähig sind zu tun nach Abschluss eines Lernprozesses. Lernergebnisse stehen immer auch im engen Zusammenhang mit Methoden der Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung. Lernergebnisse können und sollen sowohl für einzelne Lern- und Lehreinheiten, als auch für länger andauernde Projektarbeiten oder das ganze Semester oder Schuljahr formuliert werden. Im EU ECTS-Benutzerhandbuch werden Lernergebnisse auch im engen Zusammenhang mit Kompetenzen genannt. So werden sie als Ausdruck eines Kompetenzlevels angesehen, das verifiziert und bewertet wird.

Österreichs Schulsystem orientiert sich an den Empfehlungen der EU zu den acht Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen, die sich über die Bildungsstandards in Lernergebnissen manifestieren. Kompetenzen werden in der österreichischen Praxis demnach durch Lernergebnisse konkret definiert, feststellbar und messbar gemacht.

Perspektivenwechsel durch Lernergebnisse

Lernergebnisse beschreiben, was Lernende nach einer bestimmten Lernperiode beherrschen sollen. Es stellt sich nicht mehr die Frage danach, was SchülerInnen tun müssen, um einen Test, das Semester oder das Schuljahr zu bestehen, sondern darum, was sie nun nach einer gewissen Lernzeit fähig sind zu tun. Lernergebnisse üben starken Einfluss auf Unterricht, Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung aus. Diese Sichtweise ist flexibler und lässt unterschiedlichste Lernwege zu. Damit handelt es sich dabei eine Vorgehensweise, die lebensbegleitendes Lernen von Beginn an unterstützt, sofern sie richtig umgesetzt wird.  Durch lernergebnisorientierten Unterricht wird Lernen nicht mehr auf rein formales Lernen beschränkt, sondern kann auch informelle und non-formale Lernprozesse miteinbeziehen.

Gerade implizites Vorwissen wird dadurch berücksichtigt. Schulunterricht kann das Lernen nicht direkt bewirken, da Lernen ein Prozess ist, der vom Individuum ausgeht (vgl. Schmidinger & Vierlinger, 2012, S. 18). Bei der Formulierung von Lernergebnissen steht nicht mehr im Mittelpunkt, welche Inhalte Lehrpersonen vorgeben und unterrichten und wie gut die SchülerInnen diese aufgenommen haben. Dies entspricht dem Verständnis eines lehrerInnenzentrierten Unterrichts. Bei diesem Ansatz ist häufig schwer zu identifizieren, was Lernende tun müssen, um einen Test zu bestehen.

Lernergebnisorientiertes Unterrichten ist dahingehen transparenter und unterstützt dem Wandel von LehrerInnenzentrierung zur Lernendenzentrierung. Jüngere Modelle der Didaktik betonen, dass von aktiven Lernsubjekten ausgegangen wird, ein Ansatz auf dem sich auch das lernendenzentrierte Unterrichten stützt. Jede Person muss ihre neuen Lernerfahrungen in Kontext mit bisherigen Erfahrungen und Vorwissen bringen. Damit wird bedeutungsvolles Lernen möglich, das nicht nur dazu dient, einen Test zu bestehen, sondern persönlich nutzbar wird. Lernstrategien können von der Lehrperson lediglich empfohlen und gefördert werden, jedoch nicht gesteuert. Die Kontrolle über den Lernprozess bleibt im Individuum verortet, das aus sozio-konstruktivistischer Sicht aktiv ist (vgl. Schmidinger & Vierlinger, 2012, S. 18f.).

Formulierung von Lernergebnissen

Eine erworbene Kompetenz ist nutzlos, solange sie nicht kommuniziert werden und wahrgenommen werden kann. Um größtmögliche Transparenz und bessere Kommunizierbarkeit zu gewährleisten, ist es deswegen notwendig ein gemeinsames Verständnis für die Formulierung von Lernergebnissen zu schaffen. Eine weitgehend verbreitete Herangehensweise ist durch folgende Schritte charakterisierbar:

  1. Auswahl eines aktiven Verbs um auszudrücken, dass der/die Lernende weiß oder wozu er/sie fähig ist.
  2. Spezifizierung eines Kontextes, worauf sich das Verb bezieht (vgl. Europäische Union, 2015, S. 23).

Essentiell ist bei der Formulierung, dass zum Ausdruck kommt, wie der/die Lernende das Lernergebnis zeigen kann. Damit ist sowohl für Lernende, Lehrende und Außenstehende des Lern-Lehr-Prozesses klar, wie Leistung festgestellt und gemessen wird.

Um Lernergebnisse klar zu kommunizieren ist es hilfreich, sich auf das Konzept des US-amerikanischen Erziehungswissenschaftlers Benjamin Bloom (1913-1999) zu stützen. Bloom definierte drei Domänen des Lernens: Die kognitive, die affektive und die psychomotorische Domäne. Er identifizierte eine inklusive Hierarchie von Lernprozessen innerhalb jeder dieser Domänen und formulierte eine Taxonomie kognitiver Prozesse, die simple Tätigkeiten wie die des Abrufens von Fakten, bis hin zu komplexen Vorgängen wie die Evaluation von Konzepten, einschließt. Besonders die Publikation „Taxonomy of Eduational Objectives: Handbook 1. The Cognitive Domain“ (Bloom et al., 1956) wird weltweit zur Vorbereitung, Planung und Evaluation von Curricula genutzt. Blooms Taxonomie bietet einen Rahmen, innerhalb dessen Lernenden auf ihr Vorwissen aufbauen und in Richtung komplexerer Denkprozesse entwickeln können (vgl. Kennedy u. a., 2006, S. 7).

Abbildung 1: Blooms Taxonomie in der kognitiven Domäne (vgl. Kennedy u. a., 2006, S. 8).

Abbildung 1: Blooms Taxonomie in der kognitiven Domäne (vgl. Kennedy u. a., 2006, S. 8).

Es fällt auf, dass die kognitiven Aktivitäten in der Abbildung oben als Nomen formuliert wurden und die höchste Stufe „Evaluation“ ist, also der Wertzuschreibung eines Konzeptes oder eines Prozesses in einem Kontext. Wie bereits erwähnt, handelt es sich um eine inklusive Hierarchie, was bedeutet, dass das Meistern der Kategorie „Anwendung“ das Meistern der untergeordneten, simpleren kognitiven Aktivitäten „Verständnis“ und „Wissen“ voraussetzt. Anderson und Krathwohl haben Blooms Taxonomie um eine Dimension erweitert: Sie haben der Dimension kognitiver Prozesse noch die Wissens-Dimension hinzugefügt, welche in vier Kategorien zwischen Faktenwissen, Konzepte, Prozeduren und metakognitivem Wissen unterscheidet. Diese Dimension betrifft den oben angesprochenen Kontext, in den das Verb im Lernergebnis gebracht werden sollte (vgl. Krathwohl, 2002, S. 213f.).

Eine weitere Änderung in Anderson und Krathwohls überarbeiteten Taxonomie nach Bloom ist, dass auch die Kategorien der Dimension der kognitiven Prozesse umbenannt wurden. So wurden Verben statt Nomen benutzt, da dies besser zu dem Fokus von Lernergebnissen auf der richtigen Auswahl von Verben passt. Darüber hinaus wurde als höchster kognitiver Prozess „Kreieren“ definiert, was die Erschaffung eines neuen Produkts bzw. die Zusammenstellung von Elementen zu einem kohärenten Ganzem in einer neuen Weise bezeichnet (vgl. Krathwohl, 2002, S. 214f.). Bei der letzten Stufe kann damit auch von kompetenten Handeln gesprochen werden.

Eine Darstellung der überarbeiteten Taxonomie nach Anderson& Krathwohl (2002):

  1. Abrufen 2. Verstehen 3. Anwenden 4. Analysieren 5. Evaluieren 6. Kreieren
A. Faktenwissen
B. Wissen zu Konzepten
C. Wissen zu Prozeduren
D. Metakognitives Wissen

Abbildung 2: Taxonomie der kognitiven Prozesse nach Anderson & Krathwohl (vgl. Krathwohl, 2002, S. 217).

Lernergebnisse lassen sich anhand der Taxonomie einordnen, etwa das Lernergebnis „SchülerInnen können alle Elemente einer Bildgeschichte aufzählen“ wäre in der Taxonomie unter A1 zu verorten – Abrufen und Faktenwissen. Das Verb im Lernergebnis, das Aufschluss über die Verortung in den Kategorien der kognitiven Prozesse gibt, ist „aufzählen“ und „Elemente einer Bildgeschichte“ deutet darauf hin, dass es sich um Faktenwissen handelt. Es ist zu betonen, dass es Aufgabe der Lehrperson ist die SchülerInnen dabei zu unterstützen, höhere kognitive Prozesse zu erreichen und den Unterricht und die Leistungsfeststellung nicht nur auf die ersten drei kognitiven Prozesse zu beschränken, sondern auf höhere Levels hinzuarbeiten. Eine explizite Verankerung dessen im Rahmen von Lernergebnissen fördert die Transparenz und die Qualitätssicherung des Unterrichts, aber gleichermaßen auch die Lernendenzentrierung und individuelle Lernwege.


Dies ist ein Auszug (S. 28-31) meiner Bachelorarbeit “Kompetenzerwerb durch ePortfolioarbeit. ePortfolioarbeit als Bereicherung für den kompetenzorientierten Volksschulunterricht” in den Fächern Medienpädagogik und Soziologie an der KPH Wien Strebersdorf. Meine BetreuuerInnen waren Dr. Gabriel (Medienpädagogik) und Dr. Lindner (Soziologie).

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