Das duale Studium in Estland

Ein Besuch an der Universität Tallinn mit ApprEnt

An der Universität Tallinn – eine sehr innovative Universität. Dies zeigt sich einerseits an den innovativen Lehrplänen, die transdisziplinäres Arbeiten sowie Lernen & Lehren mit digitalen Werkzeugen vorsehen, und andererseits an den modernen Lern- und Lehrräumen vor Ort.

Ende Mai habe ich gemeinsam mit dem ApprEnt Projekt Team die  Tallinn University in Estland besucht. Ziel des Besuches:

  • Empfehlungen an die Politik zur Förderung von dualen Studienformaten diskutieren, was sind Chancen, wo sind Risiken, was sind Herausforderungen?
  • Das “Advocacy Pack”: Wie kann man bei den verschiedenen Stakeholdern das Format “duales Studium” promoten? Wo liegen die Vorteile?
  • Welche Erfahrungen wurden in Estland bezüglich duales Studium gesammelt? VertreterInnen von Hochschule und Wirtschaft haben berichtet
Das ApprEnt-Team in Tallinn.

Was sagt die Wirtschaft?

Der Direktor des Wirtschaftskammer in Estland, Mait Palts, hat Vorteile für Klein- und Mittelunternehmen in Estland formuliert:

  • Benötigte Fähigkeiten werden ins Unternehmen gebracht
  • Es wird eine Verbindung zu den dualen Studierenden aufgebaut – Bindung und Vertrauen zu Angestellten gestärkt
  • Falls es die Unternehmenskultur erlaubt können Innovationen von innen durch duale Studium entstehen
  • Das positive Image des Arbeitgebers wird gefördert
  • Produktivität und Motivation von MitarbeiterInnen wird gefördert – Entwicklungschancen durch duales Studium!
  • Es muss nicht außerhalb des Unternehmens nach neuen MitarbeiterInnen gesucht werden sondern sie können intern durch das duale Studium ausgebildet werden
Tag 1 beim ApprEnt Meeting in Tallinn: Gäste aus der Wirtschaft wurden geladen um aus ihrer Perspektive über das duale Studium in Estland zu berichten. Seit etwa 3 Jahren wird das duale Studium in Estland pilotiert, mit dualen Ausbildungssystem gibt es jedoch allgemein schon mehr als 10 Jahre Erfahrung in Estland.

Eine estnische Mentorin berichtet

Illi Ojavere vom Hotelgruppe Tallink Spa & Conference Hotel ist Mentorin für duale Studierende in ihrem Unternehmen und hat über ihre Erfahrungen berichtet. Besonders hervorgehoben hat sie, dass es um die Einstellung des Unternehmens geht: Man möchte die ArbeitnehmerInnen ausbilden, da dies nötig ist für den langfristigen Erfolg des Unternehmens. Bildung wird gefördert, selbst wenn die Gefahr besteht, dass die Angestellten das Unternehmen verlassen, falls sie sowohl horizontal als auch vertikal keine weiteren Entwicklungschancen im Unternehmen haben. Man ist stattdessen stolz auf die Entwicklung der ArbeitnehmerInnen und sieht die Chance auf ein vergrößertes Netzwerk.

Die Rolle von MentorInnen im dualen Studium: Entwirrung von Erfahrungen!

Anforderungen an die Hochschule

Bei einer Führung durch die Universität Tallinn haben wir mehr über die Philosophie der innovativen Hochschule erfahren. Auch wichtige Punkte für das duale Studium wurden identifiziert.

Es braucht beides: Lebens- bzw. Arbeitserfahrung, aber auch Wissen aus der Theorie. Ein duales Studium verbindet beides und ist damit für die Studierenden extrem sinnstiftend.

Kann die Hochschule aber die Integration bieten? Was muss sich dazu ändern? Die estnischen KollegInnen aus der Hochschule haben betont: Die Lehrpläne und die Vortragenden müssen extrem flexibel sein und sich den Bedürfnissen bzw. den individuellen Lernwegen der meist älteren und erfahrenen Studierenden anpassen.
Der durchschnittliche duale Studierende in Estland ist etwa 40 Jahre alt und bringt damit schon viele Kompetenzen und Fähigkeiten mit.

Spannendes Input für das Team gab es auch in Vorträgen der KollegInnen von der Universität Tallinn sowie in Workshops.

Die Zusammenarbeit mit Unternehmen ist darüber hinaus wichtig: Unternehmen müssen identifizieren, welche Kompetenzen sie in Zukunft benötigen. Basierend darauf und den Empfehlungen der Hochschule kann ein Curriculum entworfen werden.

Potential für Konflikte?

Ein möglicher Konflikt bei der Curriculumsentwicklung zwischen Unternehmen und Hochschulen entstehen, wenn die Unternehmen auf ihren kurzfristigen Erfolg ausgerichtet sich Aus- und Weiterbildung an Universitäten erwarten. Dies spießt sich oftmals mit den Zielen der Universität, die einen wesentlich weiter gefassten Bildungsauftrag erfüllt. Damit sollten durch ein (duales) Studium breitere Kompetenzen gefördert werden – nicht nur Fachkompetenzen, denn in Zukunft sind insbesondere transversale Fähigkeiten ausschlaggebend für den Erfolg von Unternehmen (siehe Ergebnisse des International Congress for Vocational and Professional Education 2018)

Marge Korvits, Open Learning Specialist an der Universität Tallinn betont die Relevanz von Validierungsverfahren für duale Studienprogramme. Sowohl für frühere Lernerfahrungen, als auch für aktuelle Lernerfahrungen am Arbeitsplatz ist Validierung essentiell und damit im Grunde Teil des dualen Studiums.

Auch Validierung von früherem Lernen spielt eine Rolle, denn einige der Studierenden verfügen möglicherweise bereits über manche im Curriculum formulierten Kompetenzen und können dies auch in einem Verfahren, etwa durch ein ePortfolio, beweisen. Dies ist in Estland bereits an der Tagesordnung. In Österreich ist Validierung noch nicht sehr verbreitet und auch das Bewusstsein für die Vorteile dieses Verfahrens nicht da. Auch Akzeptanz ist ein wichtiges Thema, an dem man bei der Implementierung von Validierung achten muss.

Was tut sich in Österreich?

Dazu werden wir auch mit Robert Frasch am 19.6. diskutieren, bei unserer Tagung zur Situation des dualen Studiums in Österreich. Entweder persönlich vor Ort der Donau-Universität Krems dabei sein oder online zuschalten, hier gibt es mehr Infos: Duale Tagung Duales Studium in Aus- und Weiterbildung.

Es wird ein vielseitiges Programm geben: Wir besprechen ein Training für MentorInnen im dualen Studium, das Advocacy Pack sowie Empfehlungen an die Politik. Es wurden verschiedene Gäste geladen, um über das Studienformat in Österreich zu sprechen.

Bei der Tagung online dabei sein und mitdiskutieren!

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